Aktien europäischer Automobilhersteller sehen günstig aus

Anleger warten geduldig auf Kaufgelegenheiten, ignorieren sie aber, wenn der Markt sie ihnen bietet. Auto-Aktien sind einen Blick wert.

Richard Hilgert 02.09.2011
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Wenn der brandneue 7er BMW oder Audi A8 für 35 % unter dem ursprünglichen Preis zum Verkauf angeboten wird, würden die Händler binnen einer Woche geräumte Lager haben und die Produktion hätten Probleme mit der Nachfrage mitzuhalten. Doch wenn die Aktien dieser Unternehmen zu einem Rabatt von 35 % zu haben sind, sucht jeder das Weite. Zugegeben, es gibt Zeiten in denen die Aussichten für das Ergebnis und den Cash-Flow unsicher sind, die einen Ausverkauf rechtfertigen. Es gibt jedoch auch Fälle von Panik im Markt, wenn Aktien von guten Unternehmen, die positive Perspektiven für das Ergebnis und den Cash-Flow haben, in einen Topf mit Unternehmen geworfen werden, deren Zukunft nicht so rosig aussieht. Ganz nach dem Motto „Erst verkaufen, dann nachdenken“.  Die Aktien der europäischen Automobilhersteller, die wir beobachten, gehören eher der ersten als der letzteren dieser beiden Gruppen an. Selbst wenn wir unsere bereits konservativen Erwartungen für die europäischen Fahrzeugverkäufen für 2011 und 2012 reduzieren, würden unsere Schätzungen des fairen Wertes um weniger als 10 % sinken.

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Vor dem massiven Rückgang an den globalen Aktienmärkten Anfang August, näherten sich die Aktien von Unternehmen wie BMW und Volkswagen unseren geschätzten fairen Werten von EUR 75,00 bzw. EUR 160,00 an und wurden entsprechend mit drei Sternen bewertet. Mit dem Ausverkauf an den globalen Aktienmärkten sind diese Aktien auf 70% unserer Schätzungen des fairen Werts gefallen und werden jetzt mit vier Sternen bewertet. Die Aktien von Fiat waren bereits das ganze Jahr über günstig, nach dem Ausverkauf sind sie noch billiger zu haben. Am Freitag, den 26. August, fielen die Aktien von Fiat mit einem Schlusskurs von EUR 4,17 auf lediglich 30% unserer Fair-Value-Schätzung von EUR 14,00. Renault, derzeit mit fünf Sternen bewertet, ist aus unserer Sicht extrem billig und wurden Ende vergangener Woche mit 40% unseres geschätzten fairen Wertes von EUR 65,00 gehandelt. Selbst Peugeot, deren langfristige Aussichten wir nicht besonders schätzen, rangiert nun in der Vier-Sterne-Region und schloss am vergangenen Freitag bei EUR 19,36 oder 72 % unseres geschätzten fairen Wertes von EUR 27,00.

Für Anleger, die preiswerte Aktien von Unternehmen mit guten Ertrags- und Cash-Flow-Perspektiven suchen, empfehlen wir BMW und Volkswagen mal genauer unter die Lupe zu nehmen. Beide Unternehmen verfügen über eine ausgezeichnete Stellung im Luxussegment auf dem chinesischen Markt sowie anderen Wachstumsmärkten. Während sich das Wachstum im volumenstarken chinesischen Massenmarkt auf etwa 4% im erste Halbjahr 2011 verlangsamte, konnten sich die zum Volkswagenkonzern gehörende Marke Audi und BMW über ausgezeichnete Wachstumsraten von 28% bzw. 61% gegenüber dem Vorjahreszeitraum freuen. Auch Bentley, die ebenfalls zum Volkswagenkonzern gehören, konnte in China um beeindruckende 57% zulegen.

Investoren, die nach Substanzwerten suchen, die zuletzt unter Druck standen, tun gut daran Fiat und Renault zu betrachten. Wir denken, dass der Markt den hohen operativen Hebel nicht erkannt hat, den der Zusammenschluss von Fiat und Chrysler mit sich bringt. Trotz Fiats Engagement auf den europäischen Märkten und dem Heimatmarkt Italien, die weiter schwach bleiben, sehen wird die gegenwärtige Bewertung des Unternehmens aufgrund von Einsparungen, die sich aus der Produktion, der gemeinsamen Plattform, der Verwendung von gleichen Teilkomponenten, dem Lieferkettenmanagement, der Logistik und der Kapazitätsrestrukturierung ableiten lassen, als sehr verlockend an.

Aus unserer Sicht wird Renaults Gewinnanteil aus den Investitionen in die Partner, darunter Nissan und AutoVAZ, die den Lada in Russland bauen, besser ausfallen, als allgemein erwartet wird. Renault/Nissan wird unseres Erachtens als treibende Kraft bei rein elektrisch betriebenen Fahrzeugen profitieren. Renault ist in Mitten der Startphase, das erste seriengefertigte, reine Elektrofahrzeug zu produzieren. Unter dem Namen „Nissan Leaf“ wird dieses Elektrofahrzeug das erste von vielen sein, das aus der Renault/Nissan-Allianz kommen wird. Renault allein rechnet damit, in etwa zwei Jahren jährlich 250.000 Fahrzeuge zu produzieren, darunter Modelle wie den „Zoe“, den „Fluence“ und den „Twingo ZE“ (2014 Joint Venture mit Smart). Wir gehen davon aus, das hohe Vorabinvestitionen und die notwendige Errichtung von Produktionskapazitäten, um diese Fahrzeuge auf den Markt zu bringen, Renaults finanzielle Mittel aus den hochvolumigen Serien wie Clio, Logan/Sandero und Mégane vorübergehend gebunden haben. Zwar hat das Unternehmen dadurch Marktanteile in Europa und insbesondere in Frankreich verloren, dennoch gehen wir davon aus, dass sich die Investitionen in reine Elektrofahrzeuge letztendlich auszahlen werden. Sobald die Einführungsphase der Elektrofahrzeuge abgeschlossen ist, wird Renault seine Mittel für die Einführung neuer oder veränderter traditioneller Modelle nutzen. Wir glauben, das so verlorengegangene Marktanteile zurückgewonnen werden können. 

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Über den Autor

Richard Hilgert  Richard Hilgert is a securities analyst on the Industrials Team.